Lyrik und Prosa

Ingrid Henjes
Ingrid Henjes

Ingrid Henjes

 

Stefan Zweig

 

"Lieber ein Jahr zu früh
als eine Stunde zu spät"
war das Motto seines Lebens.
Doch dies rettete ihn nicht
vor der zunehmenden Seelenverfinsterung
auf dem Weg
von einem Exilland
ins andere.
Psychologe aus Leidenschaft,
notorischer Schwarzseher,
der im Falle Österreichs
recht behielt,
ein wacher Geist-
all das rettete ihn nicht
vor dem Absturz ins Nichts
in den selbstgewählten
Tod.
 
 

Ingrid Henjes

 

Exil

 

Als die Weltkatastrophe hereinbrach,
die er bis in jede Faser
seiner empfindlichen Wünschelruten-Natur
gefühlt hatte,
machte er sich auf den Weg
Voll innerer Unruhe
wanderte er heimatlos
von einem Land zum anderen
immer verfolgt vom Krieg.

Bis ins ferne Brasilien
führte der Weg
aber auch hier
kam er nicht zur Ruhe.
Das Heimweh
nach seiner europäischen Welt
trieb ihn um.

 

Sonnenblume
Sonnenblume

Werner Klöpper

 

Altweibersommer

1.
Altweibersommer, wie genieße ich deine süßen Früchte,
wie genieße ich deine roten Blätter, die das ganze Jahr rot sind,
wie die Begonien, die vor dem Fenster stehen und darauf warten,
von der Sonne in ein anderes Rot getaucht zu werden. Die
Schnitzereien des Schreibtisches erinnern an unser Familienwappen,
das schon seit alters her den Stammbaum unserer
Familie prägt und auf allen Briefbögen zu finden ist.

2.
Altweibersommer, wie genieße ich deinen zarten Atem, der
mir leise Liebesworte in den Nacken haucht, wie genieße
ich die tobenden Hunde im Südpark, die sich begierig auf
jeden kleinen Ast stürzen, den man ihnen zuwirft.

Die roten Rosen in dem bläulichen Krug lassen bei dem warmen
Wetter vorzeitig die Köpfe hängen, während der gelb-rosa
Blumenstrauß in der gelb-grünen Vase grün umrankt vor sich
hin strahlt.

3.
Altweibersommer, dein Haupt ist rebenumkränzt. Begierig
lauschen deine Kinder auf das, was du ihnen sagen möchtest.
Auf deinem Schreibtisch stapeln sich die Ansichtskarten aus
fernen Ländern. Mit dem Alter kommt die Weisheit...sehr
sehr langsam. Die Liebenden fliegen auf einem riesengroßen
Hahn über ein Phantasieland, Geigen und Tierköpfe hängen
in der Luft.
Tauben gurren vor dem Fenster. Eichhörnchen springen von
Ast zu Ast.

Der stürmische Wind treibt die letzten Wolken über den
blauen Himmel. Spärliche Sonnenstrahlen verirren sich
zum Travelmann. Die Sonnenschirme sind zugeklappt.
Das Familienpicknick auf dem Rasen mit der Großfamilie
ist schon vom Winde verweht, ausgelöscht die letzten Spuren
des Grillabends vom Nieselregen.

4.
Türkische Musik kommt durch das geöffnete Fenster zu mir
geflogen. Grün vermischt sich mit Sonnenstrahlen.

5.
Fahrradtour zur Werse. Strahlender Sonnenschein vom blauen
Himmel. Kanufahrer, die singend auf der Werse paddeln.
Wochenendhäuser, die den Blick versperren auf den mit
Seerosen zugewachsenen Fluß.
Einkehr auf einem ehemaligen Bauernhof, der jetzt ein Kaffeehaus
ist.
Der Himmel zugezogen mit Schäfchenwolken.

6.
Heute stürmisches Wetter mit Orkanböen. Es regnet viel mit
Aufheiterungen. Herbstliches Wetter ohne den goldenen Oktober.
Altweibersommer , schon vorbei.

 

Spätsommer 1998

 

Abendhimmel   2011          WK
Abendhimmel 2011 WK

Neues LWL-Museum für Kunst und Kultur (2014)

Foto: Werner Klöpper

Abriss des Landesmuseums (Neubau)- Kultur-Wüste
Abriss des Landesmuseums (Neubau)- Kultur-Wüste

Foto: Werner Klöpper 2010